Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich erfolgte die Aufteilung des Burgenlandes auf die beiden größeren Gaue Steiermark und Niederdonau, dem ehemaligen Bundesland Niederösterreich. Von den drei südlichen Bezirken des Burgenlandes, welche der Steiermark angeschlossen wurden, blieb nur der Bezirk Oberwart als Kreis Oberwart erhalten, während der Bezirk Güssing an den Kreis Fürstenfeld und der Bezirk Jennersdorf an den Kreis Feldbach angeschlossen wurden.
Abbildung 1: Aufteilung des südlichen Burgenlandes auf die Kreise des Gaus Steiermark (Bildquelle: commons.wikimedia.org/Urheber: XrysD/Lizenz: CC-BY-SA)
Als sich im Sommer 1944 die Lage an der Ostfront durch die
Vernichtung der Heeresgruppen Mitte und Südukraine für das Deutsche Reich immer
mehr verschlechterte, erließ Adolf Hitler am 1. September 1944 einen
Führererlass, mit dem er die Gauleiter zu Reichsverteidigungskommissaren erhob,
welche nun für die Errichtung von Befestigungsanlagen entlang der Grenze
verantwortlich waren.
Im Falle der Steiermark war nun deren Gauleiter Sigfried
Uiberreither für den Bau des sogenannten „Südostwalls“ verantwortlich, einer
Verteidigungsstellung entlang der steirisch-ungarischen Grenze, die letztendlich
mehr symbolischen als militärischen Wert haben sollte. Für den Bau dieser aus
zwei Linien, der sogenannten A- und B-Linie, bestehenden Anlage, wurden neben
der Zivilbevölkerung, des Reicharbeitsdienstes und der Hitlerjugend auch
zwangsrekrutierte ungarische Juden eingesetzt. Im Bereich des heutigen
Burgenlandes arbeiteten in den nächsten Monaten rund 12.000 ungarische Juden, von
denen ca. 2.000 verschiedenen Massakern zum Opfer fielen.
Abbildung 2: Verlauf der A- und B-Linie des Südostwalls im Bereich Rechnitz (Bildquelle: commons.wikimedia.org/Urheber: 3rd Military Mapping Survey of Austria-Hungary in 1910/Lizenz: gemeinfrei)
Im Schatten des bekannten Massakers von Rechnitz, wurden 29.
März 1945 auch mindestens 57 ungarische Juden von drei Angehörigen der
Waffen-SS bei Deutsch Schützen ermordet. Am 4. Oktober 1946 wurde vor dem
Volksgerichtshof in Wien Anklage gegen sieben Hitlerjungen erhoben, von denen
zwei auch aus Riedlingsdorf stammten, die bei diesen Morden laut Anklageschrift Handlangerdienste geleistet hatten. Allerdings wurde die Anklage gegen die beiden 16-jährigen Riedlingsdorfer
Angehörigen der Hitlerjugend noch am ersten Prozesstag fallen gelassen,
weil sie nachweisen konnten, dass sie erst nach dem Ende des Massakers in
Deutsch Schützen eingetroffen waren.
Abbildung 3: Grabstein am Ort des Massakers in Deutsch Schützen (Bildquelle: commons.wikimedia.org/Urheber: Happy Herby/Lizenz: CC-BY-SA)
Diese Verteidigungsbestrebungen hatten auch für die Riedlingsdorfer Ortsbevölkerung und für den Ort selbst massive Konsequenzen. So wurden nicht nur viele Frauen in Rechnitz zum Stellungsbau eingesetzt (in der Alltagssprache ist das unter dem Begriff „in Rechnitz schanzen“ erhalten geblieben), auch Riedlingsdorf selbst wurde in Verteidigungsbereitschaft versetzt. Wie dem offiziellen Gemeindebericht zu entnehmen ist, wurde rund 100 Meter südlich der Ortschaft von der Zivilbevölkerung aus Riedlingsdorf, Pinkafeld, Wiesfleck, Hochart, Buchschachen, Loipersdorf und sogar aus Wien, ein fünf Meter breiter und drei Meter tiefer Panzergraben ausgehoben. Zusätzlich wurden entlang der Ostseite der Ortschaft Laufgräben geschaffen, welche vom Panzergraben bis ins Obertrum reichten und stellenweise mit den Scheunen der Bauernhäuser verbunden waren. Am 2. April 1945 überflog ein Fernaufklärer der amerikanischen Luftwaffe die Ortschaft und machte von den Verteidigungsanlagen gestochen scharfe Bilder.
Abbildung 4: Verlauf des Panzergrabens im Süden der Ortschaft (Bildquelle: Copyright Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH / HES)
Abbildung 5: Verlauf der Schützengräben im Bereich des Friedhofes (Copyright Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH / HES)
Gedicht von Bella Bodendorfer
Sprecher Hans H. Piff vulgo Kaipl Motz
Am 6. März 1945 startete mit der Plattensee-Offensive, der sogenannten „Operation Frühlingserwachen“, die letzte große deutsche Offensive der Wehrmacht an der Ostfront. Hitler wollte mit diesem von drei Seiten geführten Zangenangriff, die südlich des Plattensees stehenden Verbände der Roten Armee abschneiden und vernichten.
Abbildung 6: Geplanter Verlauf der Plattensee-Offensive der Deutschen Wehrmacht (Bildquelle: OKH-Karte vom 26.3.1945, Copyright: Columbia University Press)
Die sowjetischen Truppen konnten aber nicht nur diese
Angriffe abwehren, sie hatten genügend Truppen um hinter dem deutschen
Hauptverband, der 6. SS-Panzerarmee, drei Gardearmeen (die 6. Gardepanzerarmee,
sowie die 4. und 9. Gardearmee) bereitzustellen um ihrerseits offensiv zu werden. Am 16. März
begann die Rote Armee mit ihrer „Wiener Operation“, welche, wie der Name schon
verrät, mit Wien, die nach Berlin bevölkerungsreichste Stadt des Deutschen
Reiches, zum Ziel hatte.
Nach wenigen Tagen gelang den drei sowjetischen Gardearmeen
der Durchbruch und am 29. März überschritten ihre ersten Truppen die
Reichsgrenze. Einheiten am Rande dieses Durchbruchskorridors besetzten an
diesem Tag auch Rechnitz. Sie kamen dabei auch in Gefechtsberührung mit einem
Volkssturm-Bataillon, das der Bezirk Oberwart bei Rechnitz zur Besetzung des
Südostwalls abstellen musste. Die kampfunerfahrenen und waffentechnisch
hoffnungslos unterlegenen deutschen Volkssturmmänner hatten gegen die
sowjetischen Gardisten keine Chance und verzeichneten in einem kurzen Gefecht zahlreiche Gefallene, darunter mit Franz Hajek auch einen Riedlingdorfer.
Abbildung 7: Wiener Operation der roten Armee im März/April 1945
Die für die Besetzung des Kreises Oberwart vorgesehene
sowjetische 26. Armee, hatte die Aufgabe die linke Flanke jenes
Durchbruchsraumes zu decken, in dem die drei sowjetischen Gardearmeen in
Richtung Wien marschierten. Sie hinkte dabei um einige Tage hinterher und
konnte mit ihren rund 80.000 Mann erst bis zum 4. April zur Reichsgrenze
vollständig aufschließen, ehe sie am nächsten Tag die deutschen Grenzstellungen
durchbrach und in einem Zug den nördlichen Teil des Kreises Oberwart besetzte.
Von einem in einem Riedlingsdorfer Haus einquartierten
Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes (RAD), der vermutlich beim Bau der
Verteidigungsstellungen in der Ortschaft mitgeholfen hatte, hat sich folgende
Aussage erhalten:
„Wenn die Rote Armee hier das Gleiche macht wie die Wehrmacht
in der Sowjetunion, dann wird hier kein Stein auf dem anderen bleiben.“
Tatsächlich war es so, dass hinter dem deutschen Angriff auf
die Sowjetunion mit dem „Generalplan Ost“ ein Masterplan stand, der nicht nur
„Lebensraum für das deutsche Volk im Osten“ schaffen wollte, sondern
gleichzeitig auch die Ermordung und Versklavung Millionen sowjetischer
Zivilisten vorsah. Vor diesem Hintergrund sind auch die Exzesse von Angehörigen
der Roten Armee zu sehen, welche in den ersten Tagen der Besatzung vor allem
die Frauen und Mädchen betrafen, welche die Rechnung für die
Großmachtphantasien Adolf Hitlers zu begleichen hatten.
Der bekannte österreichische Reporter Hugo Portisch befragte
für seine Dokumentation Österreich II in den 1980er-Jahren einen sowjetischen
General zu diesem Thema und dieser meinte, dass die Truppen, die 1945
Österreich vom Nationalsozialismus befreiten, auf ihrem Weg von Stalingrad nach
Österreich durch ein Meer von Blut ihrer Kameraden und Landsleute gewatet
waren. Viele von ihnen hatten selbst Angehöriger verloren und so manche hatten
daher Rachegedanken als sie die Reichsgrenze überschritten.
Sehr bald zeigte sich aber auch die zweite Seite der
russischen Seele, denn übereinstimmend berichten viele die damals noch Kinder
waren, dass sie von den Sowjetsoldaten alles haben konnten. Viele meinen sogar,
dass sie ohne die Essensgaben durch die Rote Armee wohl verhungert wären.
Als die Rote Armee ab Abend des 5. Aprils Riedlingsdorf
erreichte und die Ortschaft ohne Widerstand besetzte, gab es einen Toten und
zwar war der Volkssturmmann Johann Bundschuh im Stationsgebäude des Bahnhofes
Alt-Pinkafeld betrunken schlafend und mit einem Gewehr bewaffnet angetroffen
worden und dann durch zahlreiche Bajonettstiche umgebracht worden.
In den Folgetagen wurden auf dem Gemeindegebiet von
Riedlingsdorf auch mindestens zwei Stoßtrupps jener deutschen Einheiten
aufgerieben, welche der Rote Armee an der Lafnitz Widerstand leisteten.
Außerdem ließen einige Versprengte der Kämpfe um Rechnitz, welche versuchten
wieder Anschluss an die deutsche Front zu finden und dabei aber von der Roten
Armee aufgegriffen wurden, ihr Leben. Je nach Quelle erfolgte in den
1960er-Jahren die Umbettung von 12 bis 14 Gefallenen der Wehrmacht, die man auf
dem Gemeindegebiet von Riedlingsdorf auffand, auf den zentralen
burgenländischen Soldatenfriedhof in Mattersburg.
Als am 8. Mai 1945 endlich die Waffen schwiegen, hatte die
Ortsbevölkerung noch einige schwierige Monate der Besatzung zu überstehen, ehe
sich die Verhältnisse wieder normalisierten. Nach und nach kamen die Männer,
die den Krieg überlebt hatten, aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Über zwei
Dutzend blieb für immer vermisst, auf dem Kriegerdenkmal sollten letztendlich die
Namen von 97 Gefallenen und Vermissten vermerkt werden.
Viele hatten Wunden an Leib und Seele erlitten. Besonders die
seelischen Verletzungen musste jeder mit sich selbst austragen. Therapien oder
Medikamente, die in solchen Fällen vielleicht geholfen hätten, gab es damals
noch nicht. So wurden manche von den Dämonen des Krieges bis an ihr Sterbebett
verfolgt.
Manche, die 1938 am Straßenrand gestanden und mit
gestecktem Arm die Truppen des Führers willkommen geheißen hatten, haben hoffentlich Scham
und Reue entwickelt, angesichts des millionenfachen Mordens mit dem die
Nationalsozialisten fast den ganzen Kontinent überzogen hatten.
Im
Abstand der Jahre gesehen und mit dem heutigen Wissenstand muss man sagen, dass
die Ortschaft und seine Bewohner großes Glück gehabt haben. Auch wenn jemand,
der damals sein Lebenstrauma erlitt, dies vielleicht als Arroganz der Spätgeborenen bezeichnen würde. Aber die meisten Riedlingsdorferinnen und
Riedlingsdorfer überlebten diesen furchtbarsten aller Kriege, sie verloren
weder ihre Heimat noch einen erklecklichen Teil ihres Hab und Gutes. Millionen
anderer Menschen, diesseits und jenseits der Front, war diese Form des Glücks hingegen nicht beschienen.
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